Ein Mann für gewisse Verhandlungen

Seit Jahren behauptet der Charité-Vorstand, er wolle keinen Konflikt mit den Beschäftigten. Doch als Verhandlungsführer hat er sich einen professionellen Trick-Betrüger eingekauft.

Schon lange verhandeln die Vertreter von ver.di über die dringend notwendige Einstellung von Personal an der Charité. Ihnen gegenüber sitzen Leute wie der ärztliche Direktor Prof. Ulrich Frei, zuvor Arzt für Innere Medizin. Doch geleitet werden die Verhandlungen von einem Mann, der nie in einem Krankenhaus gearbeitet hat: Der Charité-Vorstand hat als Verhandlungsführer für viel Geld den früheren Richter Werner Bayreuther angeworben. Er berät seit 1999 die Deutsche Bahn, zuletzt als Verhandlungsführer gegen die Lokführer-Gewerkschaft GDL. Außerdem gibt Bayreuther für 1200 Euro pro Tag Seminare für Geschäftsführer und Leiter von Personalabteilungen mit dem Titel „Schwierige Verhandlungsführung mit Gewerkschaft und Betriebsrat“. Dabei lernen die Teilnehmer „die strategische Verhandlungsführung von Gewerkschaften und das Nutzen von irrationalen Forderungen“.

Verhandlungsstrategien wie bei Geiselnahmen

Bayreuther ist prominentes Mitglied des „Schranner Negotiation Institute“ aus Zürich. Das Institut ist auf die Beratung von Unternehmen in schwierigen Verhandlungen, zum Beispiel mit Gewerkschaften, spezialisiert. Der Gründer des Institus, Matthias Schranner, war früher Verhandlungsführer der Bundespolizei bei Geiselnahmen und Banküberfällen. Nach eigenen Angaben bringt er Unternehmensführungen bei, die Verhandlungsstrategien der Polizei anzuwenden. Zu seinen Grundsätzen gehören: „Bieten Sie keinen Kompromiss an, sondern kämpfen Sie um ein Ergebnis“ und „Geben Sie niemals nach! Nachgeben ist ein Zugeständnis ohne Gegenleistung.“

Miese Tricks im Konflikt mit der GDL

Im Konflikt mit der GDL benutzte die Deutsche Bahn unter Bayreuthers Verhandlungsführung im Dezember 2014 einen besonders miesen Trick: Sie veröffentlichte eine Erklärung, in der sie das Recht der GDL anerkannte, für alle Arbeitnehmergruppen Tarifverträge abzuschließen. Genau das war monatelang eine zentrale Forderung der GDL. Die Gewerkschaft will die Erfolge, die sie für Lokführer erstreikt hatte, auch für Zugbegleiter und andere erreichen. Doch das Zugeständnis war gar keines: Eine einseitig abgegebene Erklärung ist juristisch kein Vertrag zwischen beiden Tarifparteien und damit rechtlich bedeutungslos. Während die Beschäftigten ihren Sieg feierten, bereiteten Bayreuther und die Deutsche Bahn ihre nächsten Schritte vor: Ab Januar nahmen sie sämtliche Punkte ihrer Erklärung Schritt für Schritt zurück und sprachen der GDL wieder das Recht ab, Tarifverträge für Zugbegleiter auszuhandeln. Als die Gewerkschaft schließlich erneut streikte, behauptete die Deutsche Bahn wiederum, sie hätte schon große Zugeständnisse gemacht und die GDL streike nur, weil ihr Vorsitzender Claus Weselsky ein eingebildeter Wichtigtuer sei.

Die Bevölkerung soll gegen den Streik aufbracht werden

Mit solchen und anderen Tricks müssen wir auch an der Charité rechnen. Beim Tarifkonflikt der Deutschen Bahn ist eine der wichtigsten Strategien von Bayreuther und dem „Schranner Negotiation Institute“, die Bevölkerung gegen den Streik aufzubringen. Dass viele von uns ein schlechtes Bild von Claus Weselsky und der GDL haben, zeigt, wie erfolgreich sie damit sind.

Auch der Charité-Vorstand hat bereits mit eine öffentlichen Kampagne gegen den Streik und ver.di begonnen. Auf allen Sendern ist Prof. Einhäupl während des Streiks plötzlich öffentlich um das Patientenwohl besorgt (aber im „Normalzustand“ ist der Personalmangel natürlich kein Problem). Deshalb dürfen wir den Streik nicht nur auf dem Campus führen. Unser Erfolg oder Misserfolg hängt entscheidend davon ab, ob wir auch die Beschäftigten in anderen Krankenhäusern und viele andere Berliner davon überzeugen, dass mehr von uns besser für alle ist.

Nicht durch Taschenspieler- Tricks täuschen lassen

Außerdem ist es wichtig, dass wir uns nicht von den Taschenspieler- Tricks eines Werner Bayreuther täuschen lassen. Jeder Streik endet in einem Kompromiss. Aber wir sollten erst aufhören zu kämpfen, wenn der Vorstand rechtsverbindlich die Einführung einer Personalbemessung zustimmt. Darin enthalten muss eine Regelung sein, die bei Verstößen gegen den Personalschlüssel automatisch ein Konsequenzen-Management in Gang setzt, das die betroffenen KollegInnen vor Ort sofort entlastet.

Unser Streik bietet die Möglichkeit, die Überlastung der Beschäftigten an der Charité ein für allemal entscheidend abzumildern. Diese Chance dürfen wir nicht vergeben, indem wir scheinbaren Zugeständnissen vertrauen und danach mit leeren Händen dastehen.

Geschrieben von Beschäftigten der Charité und UnterstützerInnen des Bündnisses „Berlinerinnen und Berliner für mehr Personal im Krankenhaus“